»I have a dream« – Meine Initiative

20. September 2018 Lesezeit: Orte
Erna Thea Naused aus Bremerhaven erzählt Ihre Geschichte. Was ist, wenn sich das eigene Leben plötzlich ändert und keine Zeit für langfristige Entscheidungen ist? Wie sieht die aktuelle Situation auf den Wohnungsmarkt aus? Wie kann man mit wenig Geld überhaupt leben? Warum ist ein gesellschaftlicher Wandel wichtig? Wie können Städte und Kommunen helfen? Was kann jede und jeder selbst tun? Wie wird man selbst aktiv? Und vor allem und nicht zuletzt, wie findet man Mitstreiter, Unterstützer, Förderer und Partner?
Erna Thea Naused: Initiative Wohnprojekt in Bremerhaven
Erna Thea Naused: Initiative Wohnprojekt in Bremerhaven

»I have a dream« – Mein Traum, eine Idealvorstellung von einem Leben in einer Form des Gemeinschaftlichen Wohnens, diese Vorstellung hat sich für mich in den letzten Jahren aufgrund von Lebenserfahrungen deutlich herauskristallisiert. In meinem Umfeld von Eigenheimbesitzern habe ich miterlebt, wie schnell sich die so sicher geglaubte Situation ändern kann, nicht nur wenn man Single ist, das passiert auch Paaren, wenn einer der beiden nicht mehr da ist. Die Zeit zu entscheiden reicht dann oftmals nicht mehr aus, um sich ganz neu zu orientieren, man geht dann zwangsläufig die ausgetretenen Pfade.

Viele verschließen davor ihre Augen und meinen, das würde nur anderen passieren. Wenn man als älterer Patient im Krankenhaus liegt, wird man als erstes gefragt, ob man allein lebt, was ja öfter passiert, je älter man wird. Der Soziale Dienst sucht dann eine Unterkunft zur Kurzzeitpflege (selbst erlebt mit 58). Oft müssen von jetzt auf gleich schnelle Notlösungen her, die dann zu Dauerlösungen werden, eben mit den bekannten Folgen, Fremdbestimmung, Unzufriedenheit und Rückzug, was letztlich noch kranker macht.

Immer wenn ich die normal verfügbaren Wege und Möglichkeiten in meinem Alter genauer beleuchte, (Eigentumswohnung mit unbekannter Nachbarschaft, teures betreutes Wohnen mit Pflegedienst im Haus, „Senioren-Residenz“ sprich Altersheim), verstärkt es meine Suche nach einer Alternative. Dies vor Augen ist ein weiterer Grund, vorzubeugen und so lange wie es mir möglich ist selbstbestimmt zu bleiben. Dafür muss man bei Zeiten die Initiative ergreifen, denn der umgekehrte Weg dauert Jahre, sich als Wohn-Gruppe zu formieren und das passende Immobilienobjekt zu finden.

Ich bin davon überzeugt, dass gemeinschaftliches Wohnen der richtige Weg für zukünftiges Wohnen ist. Man kann sich die Menschen aussuchen, mit denen man gern zusammen ist. Natürlich ist nicht jeder gemeinschaftsfähig und wer zur Gruppe passt, wird in der Gruppe entschieden. Denn ob Singles oder Paare, ob Alt oder Jung, gelb oder grün, wenn die Chemie stimmt, kann es für alle ein großer Gewinn sein und nicht zuletzt auch das Wohlbefinden, die Gesundheit und Lebensfreude steigern.

In diesen Zeiten, wo die Gesellschaft immer mehr in Richtung Egoismus driftet, das Gegeneinander mehr Raum einnimmt als das Miteinander, sind die negativen Folgen für alle deutlich erkennbar. Darunter hauptsächlich die Vereinsamung, egal ob als Paar oder Single. Die Kinder sind in den seltensten Fällen vor Ort geblieben, haben aber auch den eigenen Kopf voll, deren Leben ist nicht einfacher geworden. Die alten Strukturen einer Großfamilie sind überholt und waren nicht immer und für alle das „Gelbe vom Ei“.

Diese gesellschaftliche Entwicklung kann nicht im Großen sondern nur im Kleinen verändert und verbessert werden. Ich sehe diese Wohnprojekte als einen Anfang im Kleinen, die sich erfreulicher Weise immer mehr verbreiten. Auch die Bauherren sollten sich Gedanken machen und grundsätzlich barrierefrei neu bauen. Auch Familien mit Kindern brauchen einen Fahrstuhl. Das vorherrschende Prinzip, Wohnungen an Investoren zu verkaufen, die dann ihrerseits vermieten, kann nicht sozial sein. Es macht mal wieder die Armen ärmer und die Reichen reicher. Es fehlen bezahlbare (5-6 Euro pro qm) barrierefreie Mietwohnungen in den Größen 50- 60 qm. Gerade in unserer Stadt (Bremerhaven), die laut Statistik zu den Ärmsten Deutschlands gehört. Bezahlbar wäre ein Drittel seines Einkommens für Wohnraum anzurechnen. Bei wem trifft das denn noch zu.

Interessant wäre der Blick in die Wohngeld-Statistik. Städte und Gemeinden sollten das bedenken bei der Zuteilung von Bauplätzen und auch die zunehmende Anzahl  der Rentner am Lebensminimum, für die die neuen Pflegegrade eine Option sein können. Man darf doch das Feld des Wohnungsbaus nicht allein den „Profitlern“ überlassen. Der Gedanke neue Wohnformen bei Bauvorhaben zu berücksichtigen, würde in dem Sektor bestimmt auch Wunder bewirken und auf andere Weise ein Gewinn sein. Es wäre schön, wenn immer mehr das gleiche Ziel vor Augen haben. Aber derzeit sind wir Pioniere, die Neuland betreten. Wir sind als Gruppe, die sich gefunden hat schon einen großen Schritt auf diesem Weg vorangekommen, doch es gibt noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Es bleibt spannend.

Der heutige Stand des für uns Erreichbaren ist ein Angebot der hiesigen Wohnungsbaugesellschaft STÄWOG, die uns als Wohnprojekt in ihrem Bauvorhaben berücksichtigen will. Es haben sich von unserer Gruppe nicht alle dafür entscheiden wollen, weil die Größe der Wohnungen nicht variabel ist. Für mache ist sie zu klein und für andere zu groß. Doch es ist seit vielen Jahren das erste Bauvorhaben, das den Bedarf nach sozialem Wohnungsbau bedient. Die STÄWOG ist für Bremerhavener Wohnprojekte ein guter Partner.

Mehr Informationen zum Wohnprojekt gemeinsam wohnen + leben e.V. in Bremerhaven.

 

Erstellt von Mary-Anne Kockel in Zusammenarbeit mit Erna Thea Naused, Vorsitzende des Wohnprojekt gemeinsam wohnen + leben e.V. | Linkedin folgen

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