Erste Erkenntnisse unserer Studie »Suffiziente Wohnkultur«
1. Hintergrund und Zielstellung des Zwischenberichts
Das Einfamilienhaus als Familiendomizil gilt in unserer Kultur als Wohnideal. Nach Auszug der Kinder sind Einfamilienhäuser für die älter werdenden Bewohner:innen jedoch unnötig groß und stellen sogar oft eine Belastung dar in Bezug auf Nebenkosten sowie Kosten und Aufwand für den Erhalt (Sanierungen, Renovierungen, Gartenarbeit, Reinigung). Einer Änderung der Wohnsituation stehen oft die emotionale Bindung an das Eigenheim und Argumente von Kosten, Aufwand und Inflexibilität im Weg. Gleichzeitig suchen viele junge Familien dringend größeren Wohnraum und entscheiden sich für den Neubau weiterer Einfamilienhäuser. Aus Sicht des Umweltschutzes ist der Neubau zusätzlicher Einfamilienhäuser problematisch, da beim Bau graue Energie aufgewandt wird, Fläche versiegelt wird und zusätzliche Wohnfläche beheizt und mit Energie versorgt werden muss. Daher untersucht das Projekt »Suffiziente Wohnkultur (SuWoKu)«, mit welchen Strategien sich Eigenheimbesitzende in der Nach-Familienphase überzeugen lassen könnten von einer Änderung ihrer Wohnsituation mit deutlicher Reduktion der Wohnfläche.
Dieser Mini-Zwischenbericht befasst sich schwerpunktmäßig mit den Ergebnissen einer Umfrage unter älteren Eigenheimbesitzenden. Aus den theoretischen und qualitativen Vorarbeiten hatten sich drei mögliche Szenarien ergeben, wie suffizienteres Wohnen umgesetzt werden kann, die näher untersucht werden:
Umzug in eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus: Das Einfamilienhaus wird dadurch frei für Verkauf oder Vermietung, so dass eine Familie oder Wohngemeinschaft einziehen kann.
Umbau des Einfamilienhauses, so dass ein Teil der Wohnfläche an Außenstehende vermietet oder verkauft werden kann (Einliegerwohnung): Die Parteien haben getrennte Eingänge und Wohnungstüren, demnach handelt es sich um eine konventionelle Wohnform.
Vermietung einzelner Zimmer mit Gründung einer Wohngemeinschaft: Bisher wenig oder kaum genutzte Zimmer werden von Außenstehenden bewohnt. Da kein Umbau zu getrennten Wohnungen erfolgt, wird ein Teil der Wohnräume gemeinsam genutzt, daher handelt es sich um eine Wohngemeinschaft.
2. Definition suffizienter Wohnkultur
Suffiziente Wohnkultur gliedert sich in drei Dimensionen: bedürfnisorientiertes, generationengerechtes und umweltverträgliches Wohnen.
Ziel des Projekts ist, herauszufinden, wie sich ein transformativer Prozess gestalten lässt, der erfolgreiche Strategien einer suffizienten Wohnkultur in Deutschland ermöglicht und Hemmnisse systematisch abbaut. Eine zentrale Frage ist, wie die Generationengerechtigkeit in der Wohnungsfrage als Win-Win-Strategie umgesetzt werden kann, so dass alle Generationen profitieren.
3. Methodisches Vorgehen
Wir wählen einen Mixed-Method-Ansatz mit qualitativen Interviews und Fokusgruppen von Expert:innen und Wohnungsbesitzenden sowie einer quantitativen Online-Befragung von älteren Wohnungsbesitzenden, für die eine Reduzierung der Wohngröße relevant sein könnte. Fokusgruppen mit und Kommunalpolitiker:innen sind für Herbst/Winter 2025 geplant.
Basierend auf den qualitativen Studien wurde ein Fragebogen für eine standardisierte Breitenbefragung entwickelt. Im Zeitraum vom 9. bis 19. Juli 2025 wurde die repräsentative Online-Befragung durchgeführt unter 2.744 Personen über 50 Jahren, die in Einfamilienhäusern mit selbstgenutztem Wohneigentum leben.
Herzstück des Fragebogens bildete ein Vignettendesign, das eine experimentelle Auswertung unterschiedlicher Einflussfaktoren ermöglichte. Innerhalb der drei Hauptszenarien
(1) Umzug
(2) Aufteilen mit Umbau und
(3) Wohngemeinschaft im bestehenden Eigenheim
wurde getestet, welche Kombination aus Aufwänden, Unterstützungsmaßnahmen und (künftigen) Wohnbedingungen als attraktiv wahrgenommen wird.
4. Vorläufige Ergebnisse
In diesem Mini-Zwischenbericht werden nur ausgewählte vorläufige Ergebnisse der standardisierten Umfrage unter älteren Eigenheimbesitzenden dargestellt.
4.1 Typische Einfamilienhaus-Biografie
Da die standardisierte Befragung repräsentativ ist, lässt sich auf Grundlage dieser Daten rekonstruieren, wie die typische Biografie einer Person über 50 Jahren ist, die in einem Einfamilienhaus lebt. Dabei wurden von den Umfragedaten vor allem die Modus- und Medianwerte verwendet, um zu bestimmen, was als typisch gelten kann.
Einfamilienhäuser werden in Deutschland vor allem bewohnt von Personen mit mittlerem Schulabschluss oder Hochschulabschluss und ohne Migrationshintergrund.
Typischerweise ziehen die Bewohner:innen mit 37 Jahren Einzug in ein neu gebautes Einfamilienhaus im selbstgenutzten Wohneigentum in vorstädtischer oder ländlicher Lage. Die Familiengründung hat meist schon in den Jahren vor dem Einzug begonnen. Wenn man 54 Jahre alt ist, sind die Kinder ausgezogen. Man hat also im Schnitt 17 Jahre zusammen mit den Kindern im Einfamilienhaus gewohnt (Abbildung 1).
Mit 54 Jahren beginnt also die Nach-Familienphase, in der das Einfamilienhaus mehr Wohnraum bietet als benötigt wird.
4.2 Typische Wohnsituation nach Auszug der Kinder
Nach Auszug der Kinder hat man im Einfamilienhaus mit der Partnerin/dem Partner 5 Zimmer und 63 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf. Das ist deutlich mehr als die durchschnittliche Wohnfläche in Deutschland von 49 Quadratmetern.[1]
Man hat durch den verbleibenden Kredit und die Wohnnebenkosten eine Belastung von ca. 440 EUR im Monat, was 13 % des Einkommens ausmacht. Man verbringt monatlich ca. 30 Stunden damit, sich um Haus und Grundstück zu kümmern.
4.3 Für suffizientes Wohnen erreichbare Zielgruppen
Eine höhere Veränderungsbereitschaft in Bezug auf ihre Wohnsituation haben tendenziell Personen mit weniger hohem Einkommen. Das ist wenig verwunderlich, da für die Personen die Belastung durch den Betrieb und Erhalt des großen Einfamilienhauses eine größere Belastung darstellt. Eine Ausnahme dieser höheren Veränderungsbereitschaft von Personen mit niedrigerem Einkommen ist der Umbau des Eigenheims zum Aufteilen, wenn die Kosten des Umbaus die Möglichkeiten der Eigentümer:innen übersteigen.
Eine größere Veränderungsbereitschaft weisen außerdem Frauen und Personen mit Abitur auf.
In Bezug auf das Alter ist die Veränderungsbereitschaft uneinheitlich. Zu einem Umzug sind eher Eigentümer:innen über 65 Jahren bereit und zu einem Umbau des Eigenheims eher Personen zwischen 50 und 65 Jahren.
Kampagnen zur Populärmachung suffizienten Wohnens sollten sich daher zunächst an Eigenheim-besitzende Frauen mit Abitur und weniger hohem Einkommen richten.
4.4 Attraktivität suffizienterer Wohnformen
Eigenheim-Bewohner*innen sind eher zum Umzug als zum Umbau des Einfamilienhauses bereit. Gegenüber der Vermietung einzelner Zimmer, also der Gründung einer Wohngemeinschaft, haben die meisten große Hemmnisse. (Abbildung 2)
Im Folgenden soll untersucht werden, welche Aspekte einer Veränderung der Wohnsituation diese eher attraktiv machen. Dazu werden nicht alle Befragten betrachtet, sondern nur die Gruppe mit objektiv höchsten Suffizienzpotential. Das sind Personen mit über 60 m² Wohnfläche pro Kopf, die in einem Landkreis mit unter 5 % Leerstand leben.[2]
Diese Personen wären zu einem Umzug in ein Mehrfamilienhaus eher bereit, wenn es sich um eine bezahlbare, barrierefreie Wohnung in zentrumsnaher Lage mit Einkaufsmöglichkeiten, Kultur- und Sportangeboten und Gesundheitsversorgung handelt. Um die Änderung der Wohnsituation tatsächlich umzusetzen, sollten diese Personen bei Wohnungssuche und Umzug durch die Kommune intensiv beraten und unterstützt werden.
Um den Umbau zur Aufteilung des Einfamilienhauses attraktiv zu machen, sollte die Refinanzierung nicht länger als 10 Jahre dauern. Dies kann durch Förderung der Planung und Umsetzung von Umbauten erreicht werden. Ist das nicht möglich, könnte eine kommunale Beratung statt der Vermietung den Verkauf der Einliegerwohnung empfehlen, um die Kosten direkt refinanzieren zu können.
Bei der Vermietung von Zimmern oder Einliegerwohnung brauchen Eigenheimbewohner:innen Unterstützung beim Erstellen des Mietvertrags. Eine kommunale Beratung kann auf die Möglichkeit der Vermietung an Jüngere (z.B. Studierende, Berufsanfänger:innen) hinweisen und auf das Programm »Wohnen für Hilfe«. Außerdem ist die Hürde geringer, sich auf das Teilen des Einfamilienhauses einzulassen, wenn man zunächst einen befristeten Mietvertrag vergibt.
5. Zusammenfassung
Dieser Mini-Zwischenbericht zeigt schwerpunktmäßig die Ergebnisse einer Umfrage unter älteren Eigenheimbesitzenden. Suffizienteres Wohnen – also geringere Wohnfläche – in der Nach-Familienphase können Einfamilienhaus-Bewohner:innen erreichen durch:
Umzug in eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, Umbau des Einfamilienhauses und Vermieten einer Einliegerwohnung oder die Gründung einer Wohngemeinschaft im Einfamilienhaus.
In den letzten Jahrzehnten zogen Familien meist in neu gebaute Einfamilienhäuser und nutzten diese für eine Familienphase von ca. 17 Jahren, anschließend haben sie meist über 60 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung.
Deutlich wurde, dass Frauen mit Abitur und weniger hohem Einkommen tendenziell eher für suffizientere Wohnformen zu erreichen sind.
Um Personen zu einem Umzug zu bewegen, sollte die Wohnung bezahlbar, barrierefrei und in zentrumsnaher Lage sein. Die Kommune kann bei Wohnungssuche und Umzug begleiten. Ein Umbau des Einfamilienhauses ist nur attraktiv, wenn die Refinanzierung nicht zu lange dauert. Vermietungen von Zimmern oder Einliegerwohnung können durch Unterstützung beim Erstellen des (befristeten) Mietvertrags und beim Finden geeigneter Mieter:innen (Jüngere, »Wohnenfür Hilfe«) interessant gemacht werden. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse gilt es, suffizientes Wohnen attraktiv zu machen, so dass es bedürfnisorientiert, generationengerecht und umweltverträglich ist.
4.2 [1] Quelle: Statistisches Bundesamt 2025
4.4 [2] Datenquelle: Deutschlandatlas 2025
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Erstellt von Karin Demming | Linkedin folgen
Dieses Projekt wurde gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen aus Mitteln der Zukunft Bau Forschungsförderung.
Dieses Projekt entsteht in Kooperation mit BIS Berliner Institut für Sozialforschung und ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH
Dr. Felix Bader
Janika Gabriel
Dr. Dominikus Vogl
Dr. Eva Schulze