Leben im Ökodorf – 10 Zutaten

11. Februar 2022 Lesezeit: Wohnformen
Ein Ökodorf bietet Dir eine hohe Lebensqualität mit kleinem ökologischen Fußabdruck. Die meisten Ökodörfer sind genossenschaftlich organisiert und nachhaltig.

Stell Dir vor, Du kannst mit Deiner Lebensweise Arbeit, Wohnen und Freizeit gut vereinen. Dabei pflegst Du einen nachhaltigen und grünen Lebensstil. Zusätzlich gelingt es Dir mit anderen Menschen zusammen eine neue Zukunft aufzubauen. Klingt dies verlockend für Dich? Dann bist Du in einem Ökodorf angekommen.

Ein Ökodorf bietet Dir eine hohe Lebensqualität mit kleinem ökologischen Fußabdruck. Die meisten Ökodörfer sind genossenschaftlich organisiert und bewirtschaften Wald, Garten- und Ackerland nachhaltig. Du bist Teil einer neuen Form des Miteinanderlebens. Denn jedes Ökodorf ist wie ein Zukunftslabor, in dem zusammen Gemeinschaftsmodelle entwickelt und ausprobiert werden.

 

»Ein Ökodorf ist ein Ort, an dem Ideale und Leben zusammen passen.«

Die folgenden 10 Zutaten helfen Dir einen Überblick zu erlangen, um entscheiden zu können, ob Ökodörfer auch Deine Zukunft sind.

1. Zutat: Idee vor Individualismus

Das Ziel eines Ökodorfes ist eine Gemeinschaft zu gründen, die sich so weit wie möglich selbst versorgt und vor allem nachhaltig ist. Zu den vier Hauptpfeilern dieser Lebensphilosophie gehören das Soziale, das Kulturelle, das Wirtschaftliche und das Ökologische. Und damit trifft es auch den Kern. Denn Öko kommt vom griechischen Wort »Oikos«  und bedeutet Zuhause, Familie und Wirtschaftsgemeinschaft. 

Du findest Ökodörfer als Dorf oder Stadtteil. In letzterem Fall werden sie auch Ökosiedlung oder ökologische Siedlung genannt. Die Nachhaltigkeit betrifft vor allem die Verkehrsplanung mit autofreien Zonen, Energiestandards mit Niedrigenergiehäusern und Passivhäusern sowie eine regionale Energieversorgung mit erneuerbaren Energieträgern oder Blockheizkraftwerken. Quelle

2. Zutat: Geld

Du solltest 10.000 bis 30.000 EUR als Einlage für ein Ökodorf mitbringen. Dann fallen noch laufende Kosten für Miete, Gemeinschaftskassen und Genossenschaftsbeiträge an. Der Vergleich zeigt Dir die Kostenaufstellung für die zwei bekanntesten Ökodörfer in Deutschland.

Schloss Tempelhof
Mitglieder des Tempelhofes zahlen eine Einlage von 30.000 Euro, dafür haben sie ein Wohnrecht. Für die Gemeinschaftsverpflegung werden 250 Euro im Monat fällig, Wohnraum kostet pro Quadratmeter 5 Euro warm. Wer kommt, muss prinzipiell in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Quelle

Sieben Linden
Neuzugänge in Sieben Linden zahlen eine Genossenschaftseinlage von 12.300 Euro. Zusätzlich wird für Erwachsene ein Eintrittsgeld von 1.500 Euro fällig. Die monatlichen Lebenshaltungskosten wie Miete, Nebenkosten, Essen und Infrastruktur liegen für die Mitglieder zwischen 700-1000 Euro. Kinder werden solidarisch getragen. Quelle

3. Zutat: Zeit

Ein Ökodorf ist sehr zeitaufwendig. Das betrifft nicht nur die landwirtschaftliche Selbstversorgung, sondern auch das Gemeinschaftsleben. Jedes Projekt hat andere Wertvorstellungen und Antworten auf die Fragen: Wie wollen wir wohnen? Was wird geteilt, was nicht? Wie organisieren wir uns? Wie treffen wir Entscheidungen?

Aus diesem Grund ist der Aufnahmeprozess sehr umfangreich. Meistens besteht dieser aus mehreren Stufen. Beispielhaft durchläufst Du folgendes Programm: Du lernst in einem Wochenendseminar oder einer Einstiegswoche das Ökodorf kennen und arbeitest bereits an Projekten mit. Anschließend absolvierst Du Kursmodule für Gemeinschaftsprozesse. Diese sind 7 bis 10-tägige Treffen, in denen Du mehr zur Gemeinschaft in Bezug auf Distanz und Nähe sowie Persönlichkeitsentwicklung erfährst. Teilweise erklärst Du, wie Dein Verhältnis zu Macht, Entscheidungen und Geld ist. Nach einem 12-monatigen Prozess gibt es eine Konsens-Entscheidung, ob Du und die Ökodorf-Gemeinschaft zusammenpassen oder nicht. Andere Ökodörfer setzen auf bekannte Methoden zur Gemeinschaftsbildung, wie nach Scott Peck und schließen den Prozess mit einem Probejahr ab.

4. Zutat: Teilen

Im Ökodorf wird in vielen Bereichen geteilt. Zum einen herrscht die Kultur des Schenkens und Tauschens vor sowie der Verzicht auf Geld und allzu viele individuelle Besitztümer. Die meisten Ökodörfer haben keine gemeinsame Ökonomie. Ziel ist es trotzdem das Geld möglichst lang in der Gemeinschaft zirkulieren zu lassen. 

Du teilst Dir Wohnbereiche, Wasser- und Heizungskosten sowie Anschaffungen für ökologisches Baumaterial. Es gibt Gemeinschaftsräume und -gärten, »tiny houses« für Einzelpersonen, große Wohngemeinschaften für Gesellige, Wohnwagen und Zelte für die ganz Minimalistischen. Gerade beim Thema Wohnraum musst Du Dir die Frage stellen: Wie viel Raum brauche ich eigentlich?

Gelebt wird meist eine solidarische Ökonomie, bei der alle Mitglieder in eine Haushaltskasse einzahlen. Dies betrifft auch die Besitztümer. Gerade, wenn die Gemeinschaft sich für die Rechtsform Genossenschaft entschieden hat. Es gibt aber auch andere Modelle. Die Kommune Niederkaufungen z.B. bildet mit ihren 80 Mitglieder eine komplette Vermögensgemeinschaft. Auf diese Weise hat die Kommune in Nordhessen über die Jahrzehnte immer Plus gemacht. Allerdings bleibt dieser radikale Ansatz eher eine Ausnahme.

Rechtsform: Genossenschaft
Die genossenschaftliche Lösung hat sich hier ebenso bewährt wie bei dem übrigen Wirtschaftsbetrieb, der über die »Siedlungsgenossenschaft Ökodorf e.G.« (112 Mitglieder) abgewickelt wird. „Diese Rechtsform ist schließlich extra dafür erfunden worden, dass Menschen sich zusammentun, um etwas zu verändern“, sagt die Mitbegründerin und langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Eva Stützel. »Mit Hilfe der Genossenschaften können wir unser Leben und Wirtschaften so gestalten, dass es nachhaltig und solidarisch ist.«

Rechtsform: Vermögensgemeinschaft
Alles Geld, was in den Handwerksbetrieben, der Kita, der Pflegeeinrichtung für Demenzkranke, in der Landwirtschaft und dem dazugehörigen Hofladen erwirtschaftet wird, fließt in einen gemeinsamen Topf. Auch alles Vermögen der Mitglieder geht in die Gemeinschaftskasse. Wer etwas braucht, nimmt sich das Geld dafür. Ausgaben über 150 Euro werden ausgehängt, damit die anderen widersprechen können, wenn sie wollen.

5. Zutat: Veränderungsdrang

»Im Mittelpunkt unseres Tun und Denkens steht die Verantwortung für die Welt, in der wir leben.« Ökodörfer sind für Menschen, die von der Natur mit der Natur leben wollen. Die Forscherin Iris Kunze hat in einer Studie zum Thema Nachhaltigkeit und Gemeinschaft drei Hauptgründe herausgefunden, die Menschen für ein Leben im Ökodorf begeistern:

1. Mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung
2. Suche nach finanzieller und sozialer Heimat und Geborgenheit
3. Wunsch nach Persönlichkeitswachstum

Überlege Dir, was Dein Grund sein könnte. Ist es vielleicht eine Unruhe, etwas verändern zu wollen, persönlich zu wachsen oder liebevoll zu leben?

6. Zutat: Gemeinschaftsdenken

»Gemeinschaft heißt, wir sind füreinander da. Es muss nicht nur einen Wohnraum geben, sondern auch einen Platz im Herzen damit wir uns gegenseitig nähren können.« Quelle

Wir sind nicht gewohnt in Gemeinschaft zu Leben. Aber Gemeinschaft gibt Dir viel mehr Energie und Unterstützungskraft als jede Kleinfamilie. Dabei fallen Entscheidungen in einer großer Gruppe nicht leicht. Es gibt unterschiedliche Entscheidungsformen: Soziokratie, Konsens, Konsens minus eins, Basisdemokratie und 2/3 Mehrheit. Manche Ökodörfer entscheiden in der Vollversammlung, andere haben eigene Veto-Regelungen oder ein Rätesystem. Wichtig ist, dass Du Aufgaben abgeben kannst und Vertrauen in die Gemeinschaft aufbaust.

Du findest Ökodörfer, die nach formulierten Werten und Regeln leben oder gewaltfreie Konfliktlösungen im Alltag etablieren. »In vielen Ökodörfern unterschreiben die Neuankömmlinge einen Schiedsvertrag, in dem sie sich verpflichten, sich im Streitfall einer Mediation zu unterziehen.« Quelle

7. Zutat: Lust auf Landleben

Im Ökodorf lebst und arbeitest Du mit der Natur. Und das ist schon das Stichwort: Natur heißt auf dem Land leben. Stadtleben und Urbanismus sind mit einem Ökodorf aktuell kaum vereinbar. Beides hat Vorteile: Das Dorf bietet Dir Ruhe, Natur, bekannte Gesichter und ein gemeinschaftliches Leben. Die Stadt bietet Dir Anonymität, ein vielseitiges Kulturangebot und das Eintauchen und Treibenlassen in Menschenmassen. 

8. Zutat: Wohnen, Arbeiten und Freizeit verbinden

»Einer der Grundgedanken ökologischer Siedlungen ist, Wohnen, Arbeiten und Freizeit zu verbinden, um so möglichst autark und unabhängig vom Auto zu leben.« Quelle

Diese Lebensweise erfordert viel Einsatz. Die Ressourcen für den eigenen Strom und die eigene Landwirtschaft sind vor allem Arbeitskraft. Die Aufgaben werden innerhalb der Gemeinschaft geteilt. Arbeit findest Du im Dorf selbst, im Handwerk oder in der Landwirtschaft. Alle müssen wöchentlich einen Haushaltsdienst ableisten. Dafür gibt es täglich gemeinsame Essen.

Du musst abwägen, wie Deine Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Gemeinschaftsleben aussehen kann. Individualismus ist nur begrenzt möglich. Manche empfehlen in Teilzeit zu arbeiten. Denn nur bei Teilzeitarbeit bleibt genug Zeit, sich in die Gemeinschaft einzubringen. Alternativ dazu schreibt z.B. das Ökodorf Sieben Linden eigene Stellen aus. Dann verdienst Du Dein Geld direkt im Ökodorf.

Wenn Du Kinder hast oder möchtest, kannst Du Dir überlegen, wie es um die Bildung steht. Du findest Ökodörfer mit eigener Kita oder Grundschule. Für den erweiterten Bildungsweg sollte eine Schule in der Nähe sein, eventuell kommt auch ein Internat in Frage. Trotzdem ist eine Gemeinschaften ein guter Platz, um Kinder aufwachsen zu lassen, weil sie hier sehr viele Freiheiten haben.

9. Zutat: Nachhaltiger Lebensstil

»Vegane Ernährung ist die Grundlage für einen nachhaltigen Lebensstil« Quelle Du lebst im Ökodorf ökologisch, umweltfreundlich und solidarisch. Dies liegt nicht nur an Deiner persönlichen Lebensweise, sondern weil alles auf diesen Anspruch hin ausgerichtet ist. Es gibt Bio-Toiletten, eigene Energieversorgung, umweltfreundliche Technologien, solidarische Landwirtschaft und Permakultur.

Obst und Gemüse stammen größtenteils aus eigenem Anbau, der Rest kommt von Biomärkten. Die Häuser im Ökodorf werden vorwiegend aus natürlichen, organischen Baustoffen wie Holz, Lehm und Stroh gebaut. Auch geheizt wird meist mit Holz aus den umliegenden Wäldern. Zur Wasserversorgung werden eigene Brunnen gebaut und warmes Wasser wird mit Hilfe der Sonnenenergie aufbereitet.

Ein riesiger Vorteil von Ökodörfern ist, dass die Prozessketten kurz sind. Eigene Erzeugnisse werden vor Ort verwertet: in der Kantinenküche, im Hausbau, in der Landwirtschaft. Es entsteht so gut wie kein Abfall und der natürliche Kreislauf ist im Fluss. Es scheint fast, als könnten Ökodörfer ein Model für zukunftsfähige Lebensformen sein.

Im Bundesdurchschnitt verbraucht jeder Bürger 8.000 Kilogramm CO2. Im Ökodorf sind es im Vergleich dazu nur etwa 2.500 Kilogramm. Das ist fast viermal weniger.

10. Zutat: Autark statt Konsum

Im Ökodorf lebst Du tendenziell autark. Konsum wird eher kollaborativ als individuell betrieben. Dabei kannst Du schon jetzt Dein Konsumverhalten hinterfragen. Was brauchst Du wirklich, was kannst Du verschenken oder tauschen? In Ökodörfern bleibt Geld so lange wie Möglich im Dorf. Der Kreislauf ist wichtiger als neues zu erwirtschaften. Autarkie findest Du vor allem bei der Erzeugung von Lebensmitteln und Energie. Besonders die Ökodörfer in den USA, Ecovillages genannt, leben dieses Konzept auch im Umgang mit Kindern und »Schulbildung». In Deutschland ist dies nur begrenzt möglich.

Ebenfalls spielt Recycling beim Hausbau und in der Wassergewinnung sowie -aufbereitung eine Rolle. Mit der Strohballen-Bauweise werden eigene Ressourcen genutzt. Solarzellen und Windräder produzieren dabei unabhängig Energie. Häuser aus natürlichen und recycelten Baustoffen findest Du zum Beispiel beim Earthship im Schloss Tempelhof. Die Wände bestehen aus alten, mit Erde gefüllten Autoreifen, die Fenster aus Flaschen. Eine Glasfront auf der Südseite sorgt für Wärme und Licht. Das Earthship stellt die Gemeinschaftsräume zum Duschen, Kochen und Zusammensitzen bereit. Geschlafen wird in Bauwagen und Jurten. Die Lebensmaxime heißt: »Back to the Roots« –
Zurück zu den Wurzeln. Quelle

 

Fazit

Zusammengefasst bedeutet ein Leben im Ökodorf, dass Du in einer Gemeinschaft lebst, die Ihr Umfeld bewusst auf langfristige Nachhaltigkeit gestaltet. Du lebst ohne großen Luxus und versuchst die Natur zu schonen. Dabei ernährst Du Dich weitgehend vegetarisch oder vegan. Du findest Ökodörfer in Deutschland und in vielen anderen Regionen auf der Welt.

Mit Probewohnen kannst Du erkunden, ob diese Gemeinschaftsform mit reduzierter Privatsphäre und auszutragenden Konflikten für Dich lebbar ist. Oder Du machst vor Ort einfach mal Urlaub. Wie würde Dein Ökodorf aussehen? Was wären Deine Kriterien, um in ein Ökodorf zu ziehen oder sogar ein Ökodorf zu gründen?

 

Erstellt von Mary-Anne Kockel | Linkedin folgen

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